Die verzwickte Sachen mit dem Loslassen

Kennt Ihr das? Irgendjemand hat doch zu Euch bestimmt auch schon mal gesagt: „Da musst Du jetzt einfach mal loslassen!“ Oder noch besser: „Ich weiß, dass das schwer ist, aber Du solltest ihn (oder sie) wirklich loslassen!“

Warum denn eigentlich? Warum sollen wir immer das loslassen, was wir besonders dringend haben wollen, was uns unter den Nägeln brennt, oder absurder Weise diejenigen die wir lieben?

Und die Frage, die direkt daran anknüpft, wie genau soll es denn funktionieren die Menschen, die uns am Herzen liegen, loszulassen?

Ich gebe zu, ich habe den Ratschlag LOSZULASSEN auch schon erteilt.

Nicht unbedingt leichtfertig, denn nichts fällt uns schwerer als das.

Warum?

Weil der Verlust, vor dem wir uns ja eigentlich schützen wollen, mit der Bereitschaft loszulassen direkt bevor steht.

 

Und, was die Sache noch komplizierter macht, es gibt ja wiederum auch den anderen Ansatz zu sagen, dass man für die wichtigen Dinge im Leben kämpfen muss bis zum Äußersten? Dass man nichts geschenkt bekommt, sondern oftmals an die Grenzen gehen muss, um etwas zu erreichen.

 

Was sollen wir aber jetzt anfangen mit diesem Dilemma, wenn wir mittendrin stecken zwischen der bangen Frage: Loslassen oder kämpfen - und wie in Gottes Namen, geht dieses verfluchte LOSLASSEN?

 

Ich gebe Euch meine Antwort direkt, und versuche dann, sie Euch zu erklären.

 

Es ist völlig egal was wir tun, denn beide Wege führen zum Ziel!

Die Frage ist nur, wie schmerzlich oder anstrengend der Weg zum Ziel ist, denn das allein beeinflussen wir mit der Wahl zwischen Kampf und Loslassen.

UND: das Ziel ist eine unbekannte Größe, denn wir können alle nicht in die Zukunft schauen, und niemand – nicht die beste Freundin und nicht der beste Freund – kann uns am Anfang des Weges eine genaue Beschreibung des Zieles geben, denn erstens ist es unser persönlicher Zielort, und zweitens war niemand vor uns bereits dort und konnte die Lage checken!

 

Hilft Euch nicht weiter? Verstehe ich, denn immer noch steht man mit der bangen Frage – ob Loslassen oder Kämpfen - genauso ratlos da. Was könnte helfen?

Unsere Intuition könnte helfen. Ich weiß, auf die verlässt man sich nicht immer gerne, denn das ist ja nur ein Gefühl, und die können so verdammt trügerisch sein. Außerdem könnte man mit ein bisschen Kampfesgeist ja noch Parameter ändern, so dass die Intuition dann ja ganz neue Ausgangswerte hätte, um eine Entscheidung zu treffen.

Und schon geht es wieder von vorne los…

 

Ich verrate Euch, woran ich glaube. Ich glaube wir wissen auf jede Frage die Antwort, wir hören nur so selten auf uns.

Ihr kennt doch bestimmt dieses spontane Bauchgefühl, wenn ihr vor einer Entscheidung steht? Ist das Bauchgefühl – die Intuition, wie ich es eben nannte – im allerersten Augenblick in dem ihr über etwas nachdenkt positiv, dann haltet daran fest und kämpft. Ist die Intuition negativ, dann lasst los, denn dann habt ihr Euch in etwas verbissen, was ein wenig Abstand zu Euch braucht. Vielleicht entfernt es sich dann ganz, vielleicht kommt es aber auch wieder näher.

Versucht ein erstes negatives Gefühl nicht mit Aktionismus zu übertölpeln, sondern haltet inne, und lasst los.

 

Und da ist es, das Loslassen - von dem ja keiner so genau sagen kann, wie es gehen soll.

 

Für mich bedeutet „loslassen“ den Fokus von einer Idee zu nehmen und auf mich zu richten.

Mein Glück kann ich offensichtlich in diesem Moment nicht in der Erfüllung der Idee finden – denn da stoße ich auf Hindernisse, Abwehr oder allgemeine Schwierigkeiten, also wende ich mich von der Idee ab und mir zu.

Stellt es Euch ruhig so vor, als würdet ihr auf etwas blicken (zum Beispiel einen Menschen, von dem Ihr irgendetwas ganz dringend haben wollt) und dreht Euch um die eigene Achse und blickt in einen Spiegel, der hinter Euch steht und in dem ihr Euch jetzt sehen könnt.

Stellt Euch selbst die Fragen, die ihr von dem Menschen (der jetzt in Eurem Rücken stehen würde) beantwortet oder erfüllt haben wolltet:

 

„Warum reagierst Du nicht so auf mich, wie ich es mir gewünscht habe?“
wird zu:

„Warum reagiere ICH nicht so auf mich, wie ich es mir gewünscht habe? “

 

„Warum liebst Du mich nicht so, wie ich es verdient habe?“
wird zu:

„Warum liebe ICH mich nicht so, wie ich es verdient habe?“

 

„Warum behandelst Du mich nicht freundlicher und respektvoller?“
wird zu:

„Warum behandele ICH mich nicht freundlicher und respektvoller?“

 

 „Warum erfüllst Du meine Erwartungen nicht?“
wird schlussendlich zu:
Warum erfülle ICH meine Erwartungen nicht?“

 

Loslassen bedeutet für mich, nicht woanders Antworten zu suchen, die ich mir nur selbst geben kann.

 

Eine wirklich fiese Antwort auf alle umgekehrten Fragen könnte sein:

„Weil ich es mir nicht wert bin!“

 

Spätestens da fliegt der Schwindel auf. Ich erwarte von einem anderen Menschen etwas in mir zu sehen, was ich selbst nicht sehe.

Ich erwarte, dass ein Anderer einen Anspruch erfüllt, den ich selbst nicht erfülle,

Ich erwarte von einem anderen Menschen schlicht etwas, was völlig unangemessen ist, wenn ich es mir offensichtlich selbst nicht geben kann.

 

Da liegt für mich der Schlüssel zum Loslassen. Lassen wir die Anderen aus der Verantwortung und kümmern uns erstmal um uns selbst.

 

Und wenn wir Dinge bei uns verändern, ändert sich die Resonanz darauf, bei unserem Gegenüber.

Loslassen, also den Fokus von einem anderem Menschen oder einer Idee zurück auf uns selbst legen, bedeutet deshalb nicht unbedingt das Ende von Etwas, sondern nur eine Veränderung.

Die Resonanz auf die Veränderung kann in jede Richtung gehen.

 

Deshalb müssen wir auch überhaupt keine Angst davor haben loszulassen, denn wir verschließen dadurch keine Tür, wir öffnen nur Neue.

 

Es ist auch nicht egoman sich erst einmal sehr intensiv um sich selbst zu kümmern. Es ist unabdingbar, denn nur so können wir sicherstellen, dass wir nicht ein Projekt sind, an dem sich jemand abarbeitet, sondern dass es um uns geht.

Beziehungen und Freundschaften werden so häufig aus den falschen Beweggründen geschlossen. Wenn wir dem richtigen Beweggrund ein bisschen näher kommen wollen, müssen wir zuerst bei uns aufräumen, bevor wir jemanden reinlassen können.

Das machen wir ja auch so, wenn wir Besuch empfangen, oder.

 

Und wir dürfen niemals vergessen, dass uns kein Mensch gehört. Egal wie sehr wir jemanden lieben, er gehört uns nicht für ein Leben lang.

Aber wir erhöhen die Chancen, dass er gerne bleibt, wenn wir den Anspruch „ZU MÜSSEN“ als Last von seiner Schulter nehmen und ihn stattdessen einladen können zu bleiben, solange es ihm bei uns gefällt.

 

Also lasst uns nicht vergessen uns ab und an mal zu unserem Spiegel herum zu drehen, wenn wir merken, dass unsere Anspruchshaltung an Andere nicht konform geht mit dem was wir von Anderen bekommen.

Lasst uns regelmäßig Ordnung im eigenen Haus machen, dann kommen die Anderen auch gerne – vielleicht auch, um zu bleiben.

 

Wer sich intensiver mit der Technik und dem Hintergrund der "umgekehrten Fragen" beschäftigen möchte, findet diese Idee ausführlich erklärt bei "The Work" von Byron Katie und kann sie mit mir in einem Coaching kennenlernen.

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